Hätten Sie gedacht, dass selbst renommierte Musiker bei Bach ins Stolpern geraten? Jedes Mal, wenn ich bei einem Konzert gefühlt zum fünften Mal „Jesu, meine Freude“ höre, frage ich mich: Was macht eine Interpretation wirklich authentisch – und warum scheitern so viele daran? Spoiler: Es geht nicht nur um alte Instrumente und viel Vibrato. Gerade bei Bachs Musik ist das Missinterpretieren oft näher, als man denkt, und leider passiert es sehr viel öfter, als in den Musikhochschulen zugegeben wird.
Fehler Nummer 1: Falsches Tempo und kompromisslose Steifheit
Viele Musiker meinen, „historisch informiert“ heiße zwangsläufig: langsam und erhaben. Bach wollte lebendige Musik – kein Mahnmal. In seinen Briefen sprach er oft von „singender“ Interpretation und vom Charakter der einzelnen Tänze. Denken Sie an eine französische Suite: Das ist keine sakrale Steintafel, sondern oft echte Lebensfreude.
- Vermeiden Sie, jedes Stück einfach gleichmäßig durchzudirigieren.
- Achten Sie auf die tänzerischen und rhetorischen Elemente – sie geben dem Werk Farbe.
Mein Tipp aus der Praxis: Spielen Sie das Präludium der ersten Cellosuite mal im Stehen und stellen sich dazu einen barocken Ball vor. Plötzlich spürt man: Diese Musik lebt.

Fehler Nummer 2: Moderne Technik über alles
Natürlich lieben wir den klaren Klang moderner Instrumente. Aber bei Bach führt technischer Perfektionismus oft am Kern des Werkes vorbei. Er schrieb seine Musik für sehr unterschiedliche Stimmen, oft für Instrumente, die heute kaum noch jemand wirklich spielen kann.
- Verabschieden Sie sich vom „Besser-als-das-Original“–Denken.
- Probieren Sie einmal eine Barock-Geige oder ein Cembalo aus – die Inspiration ist garantiert.
Ich erinnere mich an meine ersten verzweifelten Versuche, auf einer Barockoboe zu spielen: Weniger Lautstärke, aber viel mehr Ausdruck. Plötzlich stand jede Note im Zentrum.

Fehler Nummer 3: Ignorieren von Bachs „Text“
Bach liest sich manchmal wie ein kryptischer Brief. Viele Musiker überfliegen die von ihm selbst gesetzten Verzierungen oder verzichten auf die Auseinandersetzung mit seinen textlichen Notaten. Fatal!
- Lesen Sie das Vorwort jeder Ausgabe genau – Bach war nie zufällig.
- Wer sich traut, originale Noten zu konsultieren, entdeckt oft überraschende Phrasierungen oder Artikulationen.
Für mich ist das wie ein Gespräch mit dem Komponisten selbst. Schon wenige Striche in der Handschrift verändern das Stück radikal.
Fehler Nummer 4: Zu viel „Museumsduft“
Authentizität ist keine Ausrede dafür, Musik zu einem musealen Ausstellungsstück verkommen zu lassen. Bach wollte berühren, überraschen, wo nötig sogar provozieren. Spielen Sie mit Risiko, nicht mit angezogener Handbremse.
- Geben Sie Ihrer Interpretation Ihre Persönlichkeit.
- Besser ein mutiger Akzent mehr als seelenlose Gleichförmigkeit.
Ich bin überzeugt: Wirklich berührt wird das Publikum nicht von Notengetreue, sondern von echter Leidenschaft.
Mein persönliches Fazit: Bach neu erleben
Ich habe zu oft erlebt, wie faszinierend Bachs Werke sein können, wenn sie von Musikern gespielt werden, die mehr wagen als nur „korrekt“ zu sein. Sie müssen Bachs Musik nicht neu erfinden, aber auch nicht ins Museum sperren. Testen Sie die hier genannten Ansätze – egal ob als Musiker oder als Zuhörer: Sie werden überrascht sein, wie viel Neues zu entdecken ist.
Jetzt sind Sie dran: Haben Sie beim Hören oder Musizieren schon eigene Aha-Momente mit Bach erlebt? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gern in den Kommentaren oder schicken Sie diesen Artikel an jemanden, der Bach liebt – vielleicht trifft er den richtigen Ton.









